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Gedanken zum Mittsommer

20. Juni 2020, 23:44 Uhr: eine besondere Nacht im Jahreskreis, die die Menschen schon seit jeher beschäftigte - in Skandinavien ist sie bis heute Anlass für große Feste und möglicherweise wurde das weltbekannte Stonehenge nach ihr ausgerichtet: es war die Mittsommernacht. Wenn er auch im Nordosten total verregnet war, beginnt nun der Sommer. Ich habe mich gefragt: was bedeutet diese Nacht abseits des Sommeranfangs für uns heutzutage?

 

Die Bedeutung für frühere Gesellschaften liegt natürlich auf der Hand: als kürzeste Nacht des Jahres änderte sich der Tagesablauf allmählich, aber doch fundamental. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Das Leben verlagert sich bald wieder mehr nach drinnen als nach draußen. Die Blüte der Natur ist in voller Pracht, manches schon verblüht - bald steht die Zeit der Ernte an. Für unsere Vorfahren also ein großer Wendepunkt im Jahr, waren sie doch noch viel mehr auf den Lauf der Jahreszeiten angewiesen als wir heutzutage. Aber in diesem Post möchte ich gar nicht großartig auf die Historie dieses Feiertages eingehen.

 

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Die erste Juninacht an der Ostsee - wenn die Nächte gar nicht richtig dunkel werden. (Rügen, 2020)

Einatmen - Ausatmen

 

Wäre der Jahreskreis das Atmen des Menschen, ließe es sich so deuten: der Frühling ist das Einatmen, damit im Sommer die Lungen mit Luft gefüllt sind. Der Herbst ist das Ausatmen der angestauten, verbrauchten Luft. Die Pause zwischen zwei Atemzügen ist der Winter. Alles hat seinen Platz und seine Berechtigung für das Leben des Menschen.

 

Doch auch wenn sich die moderne Gesellschaft vom Jahreskreis weitgehend entkoppelt hat, wird unser Leben hintergründig doch noch davon bestimmt: die langen Sommernächte mit Freunden und Familie sind jedes Jahr aufs Neue eine Freude, als Kinder freuten wir uns auf die scheinbar endlosen Sommerferien, Volksfeste, Urlaube, Festivals jedweder Couleur prägen die Erinnerungen an das Jahr für viele von uns bis heute. Das Leben spielt sich draußen ab, es steht in voller Kraft. Doch dauert diese Zeit auch nicht allzu viele Wochen: schon drei Monate später zieht sich auch der moderne Alltag wieder mehr und mehr ins Innere zurückgezogen.

 

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Sommer in Mecklenburg-Vorpommern (Juni 2020)

 

Zeit des Innehaltens, Zeit der Rückschau

 

So ist die Mittsommernacht doch auch ein Moment des Innehaltens zur Mitte des Jahres. Besonders in diesem Jahr ist soviel passiert, dass es eigentlich jetzt schon für drei Jahre ausreicht. Es raste förmlich da hin, von einer Erregungswelle zur nächsten, oft konnte man gar nicht sagen, was jetzt eigentlich das Thema der Stunde ist. Umso wichtiger, in diesen Tagen sich einmal bewusst zu machen, was sich für einen selbst eigentlich überhaupt geändert hat - oder eben (glücklicherweise?) so geblieben ist. Es ist Zeit für eine erste persönliche Rückschau, in der man sich die Fragen stellt: Was ist mir gelungen? Was ist nicht gelungen? Was will ich in diesem Jahr noch erreichen? Wo ist der Zug vielleicht auch schon abgefahren, wie und wo kann ich meine Energie besser auf andere Dinge konzentrieren? Und vor allem: wofür bin ich dankbar? Kaum etwas ist so wichtig, wie sich von Zeit zu Zeit mal wieder bewusst zu machen, wofür man in seinem Leben wirklich dankbar sein kann. Bist du selbst gesund? Dein Partner gesund? Sich solche (wirklich nicht selbstverständlichen!) Tatsachen bewusst zu machen - da kann Dankbarkeit beginnen.

 

Nach dem Durchdenken dieser Fragen geht jeder den Rest seines Jahres vielleicht doch noch etwas anders an. So folgt aus dem Innehalten eine kleine Neuausrichtung, um die eigenen Ziele wieder konzentrierter zu verfolgen. Man justiert sich auf das Kommende, auf die Zeit des Rückzuges - wenn das Leben wieder ausatmet.

 

Welche Fragen stellt ihr euch in eurer persönlichen Rückschau? Schreibt es in die Kommentare!

 

Lesens- und Hörenswertes:

Detaillierte historische Betrachtungen des Mittsommerblót

Mittsommerliche Traditionen in Nordeuropa und dem Baltikum (Wikipedia)

'Nacht auf dem Kahlen Berge' - vom Hexensabat zur Slawischen Mittsommernacht (Iwan-Kupala-Tag) inspiriertes Werk von Modest Mussorgski. Animation aus dem Walt Disneys Film "Fantasia" (1941).

 

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