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Die Alte Welt: Von Regen, Gewittern und Schlangengöttern

 

Moin!

 

Mit diesem Beitrag möchte ich die Reihe „Die Alte Welt“ starten, in der ich die frühe Geschichte von Mecklenburg-Vorpommern beleuchten möchte – natürlich könne auch mal andere Regionen dabei sein. Hauptsächlich möchte ich euch aber die lange Geschichte dieses Landes vorstellen, dass in seinen Anfängen sehr stark von slawischen Stämmen, insbesondere den Wenden geprägt wurde.

 

Der Sommer ist die Jahreszeit der Gewitter: jedes einzelne ist auf seine Art spektakulär, urgewaltig, schön anzusehen – und natürlich auch (zurecht) ehrfurchtgebietend. Manche sind verhältnismäßig lange absehbar, wieder andere bauen sich in extrem kurzer Zeit auf. Mich fasziniert schon die Spannung davor, die in der Luft liegt – sie ist förmlich elektrisch aufgeladen… und schon ziehen mächtige, dunkle Wolkenberge am Horizont auf. Sicher, wir können uns heutzutage auf wissenschaftlichen Wegen erklären, wie das Schauspiel entsteht. Aber welche Eindrücke mag das Ganze wohl in früheren Zeiten hinterlassen haben…?

 

Ein Mythos wird wiederentdeckt

 

Insbesondere vorchristliche Religionen stellten Zusammenhänge zwischen Naturphänomenen und bestimmten Gottheiten her. Da Gewitter, Donner und Blitze zu den beeindruckendsten Spektakeln zählt, wurde ihre Entstehung den Hauptgottheiten zugeordnet. Die im Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern siedelnden Slawen (genauer: die Wenden) machten es genauso – in ihrem Fall war das der Gott Perun. Der sogenannte Sturmmythos wurde jedoch nie aufgeschrieben, da es sich bei den Wenden um eine schriftlose Kultur handelte. Vielmehr wurden die Geschichten von Generation zu Generation mündlich tradiert und so über die vielen Jahrhunderte getragen. Im 20. Jahrhundert gelang es den Slawisten Wjatscheslaw Wsewolodowitsch Iwanow und Wladimir Toporow, aus einem Puzzle vieler verschiedener Einzelquellen den Mythos Stück für Stück zu rekonstruieren. 

 

 

 

Gewitter, Gewitterwolke, Altefähr, Rügen, Mecklenburg-Vorpommern, 2019
Ein Gewitter bricht in wenigen Minuten los. (Altefähr, Rügen, Juni 2019)

 

Der Mythos besagt, dass die schlangenförmige Gottheit Veles am Grunde des Weltenbaumes Nav‘ lauert. Von Zeit zu Zeit schlängelt er sich in die Krone des Weltenbaumes, die Prav genannt wurde. Veles will dort die Frau, den Sohn oder das Vieh von Perun stehlen. Mit seiner Beute fliet der schlangenfömige Gott in die Welt der Menschen namens Yav. Perun indes sinnt auf Rache – er kann den Diebstahl, diesen Frevel nicht ungesühnt lassen. So verfolgt er die Spuren von Veles – solange er auf Jagd ist, fällt kein Regen vom Himmel in der Welt der Menschen. Wenn er Veles stellt, schmeißt er die Blitze auf den Übeltäter. Einige Varianten des Mythos besagen, dass er die Schlange damit tötet und sie an der Wurzel des Weltenbaumes wiedergeboren wird. Andere erzählen, dass Veles lediglich zurück in die Tiefen getrieben wird, wo er wiederum auf Rache sinnt. Allen Versionen gemein ist, dass Perun das ‚Diebesgut‘ wieder zurück in die Welt der Götter bringt. Aus tiefer Zufriedenheit schenkt er den Menschen den lebenswichtigen Regen. Dieser Kampf zwischen beiden Gottheiten wiederholt sich immer und immer wieder – und Perun ist am Ende stets der Sieger.

 

Ein Kampf – doch ein harmonisches Ganzes

 

Dieser Mythos erklärte nicht nur den Wechsel von trockenen und regnerischen Tagen. Auch der Wechsel der Jahreszeiten wurde damit erklärt. Naturphänomene wie Dürren lagen an den Augen der Wenden daran, dass Perun im ewigen Kampf eben noch nicht gesiegt hatte – so konnte er auch keinen Regen fallen lassen. Essenziell für das tiefere Verständnis  und gleichzeitig völlig anders als heute ist die fehlende Dualität in diesem Mythos – denn es ist mitnichten ein Kampf zwischen ‚gut‘ und ‚böse‘ nach monotheistischem Weltbild. Vielmehr ist dieser Kampf in der Mythologie geradezu notwendig dafür, dass überhaupt Leben auf der Erde wachsen und gedeihen konnte. So ist Veles mitnichten der ‚böse‘ Teil, sondern durch seinen Diebstahl bei Perun der Initiator des lebensspendenden Streits. Ohne ihn wäre Perun nicht so glücklich und erleichternd, dass er den Regen auf die Erde sendet. Somit ergänzen sich beide Gottheiten in diesem ewigen Spiel und ergeben ein harmonisches Ganzes. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zu christlicher Dualität. 

 

 

Wie ist es bei euch? Beschäftigt ihr euch dann und wann mit alten Mythen? Findet ihr es inspirierend oder alles längst überholter Quatsch? Lasst doch einfach einen Kommentar da!

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